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»Der Immobiliensektor spielt im Bereich Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle«

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Sarah Jastram über die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Immobiliensektor, die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und notwendige Veränderungen.

Frau Prof. Jastram, aus heutiger Sicht betrachtet: Für wie zukunftsfähig halten Sie die Weltwirtschaft und warum?

Es ist schwierig, hier eine globale Antwort zu geben, da sich die Wirtschaftssysteme im Hinblick auf sozial-ökologische Themen sehr stark voneinander unterscheiden. Das europäische Wirtschaftssystem scheint mir insofern zukunftsfähig zu sein, als es auf einem recht effektiven normativen Regelungswerk und Wertefundament basiert. Besonders in diesen Zeiten werden hier Themen wie Nachhaltigkeit und der Schutz der Menschenrechte sowohl von regulativer Seite als auch aus der Wirtschaft heraus stark adressiert. Dennoch gibt es in jedem System sowohl positive als auch negative Praxisbeispiele, sodass man die Betrachtungsebene stärker fokussieren muss.

Generell ist aus meiner Sicht eine Wirtschaft dann zukunftsfähig, wenn sie im Einklang mit den Bedürfnissen von Menschen und Natur steht. Wenn die planetaren Ressourcen erschöpft sind und Menschen Not erleiden, dann kann kein Wirtschaftssystem langfristig funktionieren.

 

Welche Ansätze sind realistisch, um die Wirtschaft global nachhaltiger zu gestalten?

Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig darin, dass Lösungen nur kollaborativ und sektorübergreifend erarbeitet und umgesetzt werden können. Dabei ist es auch wichtig, die verschiedenen Betrachtungsweisen im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit in unterschiedlichen Kulturkreisen, Generationen und Stakeholdergruppen zu berücksichtigen.

 

An welchen Stellen kollidieren aus Ihrer Sicht verschiedene Betrachtungsweisen und machen es dadurch womöglich schwerer, auf einen Nachhaltigkeits-Nenner zu kommen?

Es gibt beispielsweise im internationalen Kontext nicht immer Einigkeit im Hinblick auf die Relevanz der Menschenrechte, beispielsweise der Frauenrechte. Hier gibt es in unterschiedlichen Kulturräumen, aber auch innerhalb einzelner Systeme zum Teil sehr unterschiedliche Wertvorstellungen, die zu starken Konflikten führen können, wie wir es zum Beispiel gerade im Iran erleben.

Mal abgesehen vom viel diskutierten CO2-Fußabdruck: Welche Hebel gibt es noch, um Nachhaltigkeit zu erreichen?

Es gibt ganz unterschiedliche Governance-Ansätze in diesem Kontext, die von staatlicher Regulierung bis zu privaten Maßnahmen und Managementansätzen reichen. Im Idealfall ergibt sich im Zusammenspiel das, was derzeit als „Smart Mix“ bezeichnet wird, eine Kombination aus formalen Regeln und freiwilligen Maßnahmen, die das Wirtschaftssystem gerechter und nachhaltiger machen können. Die Effektivität der unterschiedlichen Hebel zu beurteilen, das ist derzeit einer unserer Forschungsschwerpunkte.

 

In welchem Zeitrahmen halten Sie wesentliche Veränderungen für realistisch?

Das kommt darauf an, welche Veränderungen Sie meinen. Einige Probleme, wie etwa der Klimawandel, sind nicht kurzfristig zu lösen. Bei anderen Themen, wie etwa dem Wandel in Richtung E-Mobilität, können wir ein schnelleres Tempo beobachten.

 

Die Pandemie und auch der Krieg in der Ukraine haben gezeigt, wie störanfällig die globale Wirtschaft auch ist. Welche Denkfehler sind aus Ihrer Sicht in der Vergangenheit gemacht worden?

Sie sprechen hier zwei Krisen mit jeweils weitreichenden Folgen für die globale Wirtschaft an. Wenn es darum geht, Lehren aus diesen Krisen zu ziehen, wird einerseits die Notwendigkeit von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Systeme deutlich und andererseits der Bedarf an Stabilität von Werten und Moral in diesen disruptiven Zeiten. Das Ganze lässt sich mit dem Begriff Resilienz zusammenfassen

Wie ließe sich die Resilienz der deutschen Wirtschaft konkret stärken?

Die deutsche Wirtschaft lässt sich zunächst einmal als vergleichsweise robust beschreiben. Dennoch gibt es immer auch Unternehmen, die in Krisenzeiten nicht überleben. Wichtig ist es unter anderem, das Thema Resilienz noch stärker in der betriebswirtschaftlichen Ausbildung und Forschung zu verankern. An der HSBA beginnen wir gerade ein neues Forschungsprojekt, innerhalb dessen wir mit Führungskräften darüber sprechen, welche unternehmerischen Lehren aus den vergangenen Krisen gezogen werden können.

 

Nicht nur im Zuge der Pandemie, sondern auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussionen rücken die Lieferketten immer mehr in den Fokus. Welche Rolle spielen diese aus Ihrer Sicht?

Internationale Lieferketten sind ein Konstrukt, anhand dessen sich derzeit verschiedene Probleme von internationalen Wertschöpfungsprozessen darstellen und analysieren lassen. Dazu gehören gleichermaßen soziale Themen wie Menschenrechtsverletzungen wie auch Umweltaspekte wie etwa Treibhausgas-Emissionen.

Wie lassen sich diese Erkenntnisse auf Immobilien anwenden?

Der Immobiliensektor spielt im Bereich Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Es gibt viele interessante Ansätze in der Praxis zu beobachten, etwa im Kontext der Kreislaufwirtschaft, nachhaltiger Baustoffe oder intelligenter Gebäudenutzung mit Unterstützung künstlicher Intelligenz. Dennoch scheint sich der Immobiliensektor insgesamt nur langsam in eine nachhaltigere Zukunft zu bewegen. Viele Strukturen scheinen hier eher konservierend als modernisierend zu sein.

 

Was glauben Sie, woran liegt das?

Es gibt nicht so viel gesellschaftlichen Druck wie beispielsweise in der Textilindustrie, wo Unternehmen wegen negativer sozialer und ökologischer Auswirkungen regelmäßig stark kritisiert und öffentlich angegriffen werden. Das ist im B-to-B-Bereich weniger ausgeprägt.

 

Worauf sollten Käufer achten, die nachhaltig in Immobilien investieren wollen?

Ich bin keine Expertin zum Thema Immobilieninvestments, aber es gibt für fast alle Branchen umweltbezogene Zertifikate und Ratings, an denen sich Investoren orientieren können.

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