Bild: GettyImages/Petmal
Marketing-Anzeige

"Zwei Drittel der CO₂-Emissionen entfallen auf den Gebäudebetrieb"

Ein Gespräch mit Sophia Stettner, Junior Consultant beim Real-Estate-Beratungsunternehmen Alpha IC.

Frau Stettner, Alpha IC berät Unternehmen wie die BVT Gruppe hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Bauprojekten. Wie läuft dieser Beratungsprozess ab?

Beratung beginnt für uns mit einem guten Verständnis für den individuellen Kundenbedarf. Das Thema Nachhaltigkeit ist dabei stets fest in der DNA unseres Beratungsansatzes verankert. Zu Beginn eines Auftrags ist es zudem wichtig, daneben auch das Ambitionsniveau des Kunden zu ermitteln. Sind die Nachhaltigkeitsziele definiert, überführen wir diese in einzelne Teilprojekte und definieren Prioritäten, die jeweiligen Projektbeteiligten und die Timeline für eine planbare und transparente Umsetzung. Natürlich gibt es auch Anfragen, bei denen wenig Spielraum für Individualität besteht. Diese Aufträge haben häufig regulatorische Vorgaben oder dienen Nachweiszwecken, zum Beispiel EU-Taxonomie-Konformitätsbestätigungen oder Treibhausgasbilanzen.

Welche Möglichkeiten gibt es, um die Bauweise nachhaltig zu gestalten?

Jeder neue Materialeinsatz bedeutet Energieaufwand und analog dazu das Emittieren von CO₂. Gerade deshalb müssen der Bau, der Betrieb und das Recycling von Gebäuden bereits in der Planung mit und zu Ende gedacht werden.

Natürlich können Nachhaltigkeitsziele individuell für eine Immobilie oder ein Portfolio entwickelt werden. Die Kriterien von Green-Building-Systemen wie DGNB, LEED, BREEAM, WELL oder auch die der EU-Taxonomie-Verordnung bieten jedoch bereits für den Einstieg eine Vielzahl von Indikatoren für nachhaltige Bauweisen und den Immobilienbetrieb. Eine weitere Weichenstellung besteht darin, Einfluss auf das „verbaute“ Material zu nehmen. Gebäudedesign und Bautechnik sollten das Ziel einer Kreislaufwirtschaft unterstützen. Um demnach eine nachhaltige Bauweise effizient umsetzen zu können, ist der Zeitpunkt für eine Nachhaltigkeitsberatung möglichst früh zu wählen.

Vor allem, aber nicht nur in den USA boomt momentan Holz als Baumaterial. Was genau macht die Holzbauweise so attraktiv?

Die prominentesten Vorteile gegenüber mineralischen Baustoffen liegen auf der Hand: Holz kann sich durch die Einlagerung von CO₂ in der Wachstumsphase sowie die zeitlich verzögerte Abgabe des gespeicherten CO₂ langfristig positiv auf die Klimabilanz einer Immobilie auswirken und ist zugleich eine nachwachsende Ressource. Außerdem ermöglicht die serielle Vorfertigung einen vereinfachten Transport und verkürzte Bauzeiten und leistet so einen zusätzlichen Beitrag zur Reduktion von Energie und CO₂. Nicht zuletzt dürften die bauphysikalischen Vorteile zur Attraktivität von Holz beitragen – zum Beispiel gesundes Raumklima, behagliche Wohnatmosphäre, feuchtigkeitsregulierende und gut dämmende Eigenschaften. Jedoch spielen die Herkunft des Holzes und die nachhaltige Bewirtschaftung eine entscheidende Rolle für den unbedenklichen Einsatz von Holz in der Baubranche.

Kann die Betonbauweise damit überhaupt konkurrieren?

Beton hat mit Fokus auf die Kreislaufwirtschaft und die Eigenschaft, CO₂ über den Lebenszyklus einer Immobilie hinaus zu binden, einen Nachteil gegenüber der Holzbauweise. Doch auch Beton steht mit einigen Vorteilen – von thermischer Speicherfähigkeit (Heizen und Kühlen) über Akustik bis hin zur Statik – für sich. Dennoch müssen wir in der Zukunft aufgrund der schwindenden Sandvorkommen und des enormen Energieeinsatzes bei der Betonherstellung umdenken und zunehmend durch Substitution bzw. Ergänzung mit anderen Stoffen ausgleichen. Mit dem voranschreitenden Markt für Recycling, der es erleichtert, möglicherweise ganze Bauteile wiederzuverwenden, kann sich auch Beton weiterhin als Baustoff durchsetzen. Auch hybride Lösungen aus Holz und mineralischen Stoffen bieten oft eine sinnvolle Alternative.

Welche Baustoffe sind außerdem relevant für nachhaltiges Bauen in der Zukunft?

Aus unserer Sicht bietet die Baustoffpyramide eine gute Orientierung, um sich die CO₂-Auswirkungen eines Baustoffs für ein Projekt bewusst zu machen. Jeder neue Materialeinsatz sollte minimiert und schadstoffarme Baustoffe ausgewählt werden. Ein guter Kompromiss ist der Einsatz von recycelten oder wiederverwendeten Materialien. So kann auch ein energieintensiver Baustoff wie Beton zukünftig weitestgehend CO₂-neutral hergestellt werden und zu einem hohen Anteil aus recyceltem und wiederverwendetem Material bestehen.

Zur Nachhaltigkeit gehört auch das Recycling bereits vorhandener Gebäude und ihrer Baustoffe. Wie kann man Bestandsgebäude nachhaltiger machen?

Die Erfahrung zeigt, dass oftmals zwei Drittel der Treibhausemissionen auf den Gebäudebetrieb zurückzuführen sind und lediglich ein Drittel auf die Herstellung, den Bau und den Rückbau zum Lebensende entfällt. Wir raten also jedem Eigentümer, unabhängig von der Bauweise zuallererst den betrieblichen CO₂-Ausstoß zu optimieren, da hier der größere Hebel verborgen liegt. Grundsätzlich appellieren wir für mehr Sanierungen im Gebäudebestand. Schließlich ist der Gebäudesektor derzeit einer der weltweit größten Emissionsverursacher, und jede neue Immobilie muss kritisch auf ihre Notwendigkeit geprüft werden. Auch für Sanierungen verweisen wir auf die gängigen Green-Building-Zertifizierungssysteme mit einer Vielzahl von Nachhaltigkeitsindikatoren.

Welche Möglichkeiten haben Investoren, sich im Vorfeld über die Nachhaltigkeit eines Projekts zu informieren?

Eine Möglichkeit bilden ESG-Ratings für die Unternehmen hinter der Immobilie: Die Ratings zu ESG, also zu Environment, Social und Government-Kriterien, zeigen Risiken aus ESG-Prozessen und Governance-Standards eines Unternehmens auf. Bei Finanzprodukten lassen sich Informationen über die Nachhaltigkeitsperformance der darin enthaltenen Immobilienportfolios aus den Fondsprospekten, den Jahresberichten und den Transparenzpflichten gemäß Offenlegungsverordnung entnehmen. Außerdem werden verbindliche Vorgaben für die Nachhaltigkeitsziele eines Finanzprodukts in den Anlagegrenzen festgelegt. Auch eine (ESG) Due Diligence gibt zum Beispiel Aufschluss über die Nachhaltigkeitsrisiken und Chancen einer Immobilie oder eines Portfolios.

Weitere Artikel
Erste Zielfonds-Anbindung erfolgt

Erfolgreiche Investition in den „Social Infrastructure Deal of the Year, North…

So kommt die E-Mobilität in Deutschland voran

In Deutschland gibt es je 1.000 Einwohner rund 21,8 Elektroautos. Damit liegen…

Investitionsbeispiele in aktivem Klimaschutz

Die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs ist von eminenter Bedeutung für die…

Zeitgemäße Immobilieninvestments

Ertragswertfonds-Serie setzt auf Nachhaltigkeit für langfristigen Werterhalt von…

Investieren für die Zukunft

BVT bietet chancenreiche Beteiligungen im Einklang mit Natur und Umwelt.

In…

Neue Standards, Anspruch bleibt

Neue Anforderungen an Nachhaltigkeitsfonds in Europa.

Für Anleger ist es…