Die US-amerikanische Wirtschaft demonstriert erneut ihre Widerstandsfähigkeit und trotzt den durch die expansive Zollpolitik der Trump-Administration verursachten Unsicherheiten mit bemerkenswert stabilen Fundamentaldaten.
Das Zoll-Epos der USA erreichte am 4. Juni einen neuen Höhepunkt: Donald Trump verdoppelte die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte von 25 auf 50 Prozent. Ziel dieser drastischen Maßnahme ist es, „wirksamer gegen ausländische Länder vorzugehen, die weiterhin überschüssigen Stahl und Aluminium zu niedrigen Preisen in den Vereinigten Staaten abladen", wie es in der präsidialen Anordnung heißt.
Diese protektionistischen Schritte blockieren jedoch eine ersehnte geldpolitische Wende: Austan Goolsbee, Präsident der Chicago Federal Reserve Bank, sieht in einer Vermeidung weiterer Zölle die Möglichkeit für Zinssenkungen – etwas, wonach sich Marktteilnehmer und Investoren seit Monaten sehnen. Obwohl die zugrundeliegende Wirtschaftsstärke sowie Fortschritte in Richtung des Fed-Inflationsziels von 2,0 Prozent gegeben seien, würden die positiven Entwicklungen durch die Zölle auf eine harte Probe gestellt, warnte Goolsbee Ende Mai auf der Mackinac Policy Conference.
Experten rechnen mit zeitverzögerten Auswirkungen der Zölle auf die Inflation – die LBBW prognostiziert eine Gesamtjahres-Inflationsrate von 3,0 Prozent für 2025.
Handelsbilanz im Fokus
Die Motivation hinter der expansiven Zollpolitik liegt in der amerikanischen Handelsbilanz: 2024 standen Ausfuhren im Wert von zwei Billionen Euro Einfuhren von drei Billionen gegenüber. Durch die Verteuerung von Importen soll die Nachfrage nach heimischen Produkten gestärkt werden.
Dabei ist eine negative Handelsbilanz nicht per se problematisch – sie spiegelt auch die ökonomische Stärke wider: Die amerikanische Volkswirtschaft kann sich seit Jahrzehnten große Mengen an Gütern aus aller Welt leisten, ein Zeichen anhaltenden Wohlstands.
Robuste Wirtschaftsdaten
Die Befürchtungen vieler Ökonomen über ernsthafte Schäden durch die Zollpolitik haben sich bislang nicht in breitem Ausmaß bewahrheitet. Zwar verzeichnete das BIP im ersten Quartal einen Rückgang von 0,3 Prozent, doch blieb die Inflationsrate im April mit 2,3 Prozent auf moderatem Niveau. Auch die Arbeitslosigkeit bleibt niedrig, und die Aktienmärkte entwickeln sich positiv – ein entscheidender Faktor für die amerikanische Gesellschaft, da ein erheblicher Teil der Bevölkerung seine Altersvorsorge über den Aktienmarkt organisiert.
Der Vergleich mit Deutschland unterstreicht die amerikanische Wirtschaftsstärke: Während die deutsche Wirtschaftsleistung 2024 um 0,2 Prozent schrumpfte, wuchs sie in den USA um 2,8 Prozent. Das deutsche BIP lag bei 4,3 Billionen Euro (52.000 Euro pro Kopf), das amerikanische bei 28 Billionen Euro – rund 82.000 Euro je Einwohner. Die US-Wirtschaft erweist sich damit als deutlich produktiver.
Gedämpfte Aussichten
Dennoch könnten die Zollanhebungen das BIP belasten: Die Fed senkte ihre Prognose für das reale BIP von 2,1 auf 1,7 Prozent. Der Leitzins verharrt im Bereich von 4,25 bis 4,5 Prozent. Während im März noch zwei Zinssenkungen für 2025 erwartet wurden, betonen Fed-Vertreter nun die Notwendigkeit, die aktuellen Zinssätze beizubehalten, um sicherzustellen, dass die Inflation weiter sinkt.
Der Arbeitsmarkt bleibt robust: Experten prognostizieren für Ende 2025 eine Arbeitslosenquote von 4,4 Prozent (aktuell 4,2 Prozent). Im April entstanden 177.000 neue Arbeitsplätze. Raphael Bostic, Präsident der Atlanta Fed, sieht Anfang Juni „in vielen Branchen derzeit keine grundlegenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt" und auch gesamtwirtschaftlich „kein klares Bild, dass sich etwas in größerem Ausmaß bewegt".
Die amerikanische Wirtschaft navigiert damit geschickt durch die selbst geschaffenen Turbulenzen – die entscheidende Frage bleibt jedoch, wie lange diese bemerkenswerte Balance zwischen Zollprotektionismus und wirtschaftlicher Stabilität aufrechterhalten werden kann.