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"Die USA sind weiterhin ein attraktiver Investitionsstandort"

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, über die Folgen der aktuellen US-Notenbankpolitik.*

Herr Professor Bardt, Ende Juli hat die Fed den Leitzins zum elften Mal in Folge erhöht. Er liegt nun bei 5,5 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit 22 Jahren. Das konsequente Vorgehen der US-Notenbank ruft gleichermaßen Bewunderung und Kritik hervor. Wie bewerten Sie diesen Rekordanstieg?

Prof. Dr. Hubertus Bardt: In erster Linie zeigt es, dass die Fed immer wieder dazu in der Lage ist, pragmatisch zu reagieren und mutig zu handeln, wenn es nötig ist. In den USA ist sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation hoch. Während in Europa vor allem die Energiepreise als Inflationstreiber wirken, trifft das in den USA auf alle anderen Sektoren auch zu. Die Inflation ist dort aufgrund der umfangreichen Fiskalpakete viel mehr nachfragegetrieben als im Euroraum. Das macht die Inflation zu einem Notenbankproblem. Ich beneide die Fed nicht darum, dass sie diese Art der Entscheidung treffen musste, weil dabei immer auch die Gefahr besteht, das Wachstum zu schwächen. Aber ich finde das Vorgehen mutig und richtig. Im Übrigen befindet sich die Inflation aktuell auf dem Rückzug und liegt mit etwas mehr als drei Prozent deutlich niedriger als im Euroraum. Die Geldpolitik scheint Erfolg zu haben.

Hintergrund war natürlich die auch in den USA übermächtige Inflation. Kritiker befürchten jedoch, dass der erstarkende Dollar der US-Wirtschaft schaden könnte – etwa, weil heimische Produkte im Vergleich zu Importen teurer werden oder die internationale Nachfrage nach US-Produkten sinken könnte. Sind diese Sorgen berechtigt?

Bardt: Es wird immer Branchen geben, die von einem starken Dollar negativ betroffen sind – vor allem exportorientierte Industrien. Aber die Zinserhöhungen treffen auf eine strukturell wachsende Wirtschaft. Auch die positiven Wachstumsraten aus den ersten beiden Quartalen dieses Jahres machen ein soft-landing immer wahrscheinlicher. Trotz der schwierigeren Weltkonjunktur befindet sich die US-Wirtschaft strukturell auf einem Wachstums- und Investitionskurs. Das lockt ausländische Investoren an, auch aus Europa.

Wie lässt sich erklären, dass der Dollar trotz der hohen Inflation – deretwegen ja nun der Leitzins so massiv erhöht worden ist – nicht ansatzweise so viel an Wert verloren hat wie andere Währungen?

Bardt: Die USA sind auch weiterhin ein attraktiver Investitionsstandort. Die US-Wirtschaft wächst systematisch schneller als die europäische. Das Niveau des realen BIP liegt dort mehr als sechs Prozent über dem Vorkrisen-Niveau, während es in Ländern wie Deutschland darauf verharrt. Das liegt unter anderem daran, dass die demografische Entwicklung nicht so kritisch ist wie hierzulande. Die USA profitieren davon, dass sie eine Zuwanderungsgesellschaft und deshalb im Schnitt wesentlich jünger sind. Hinzu kommen der Inflation Reduction Act sowie verschiedene Förderprogramme für internationale Investitionen. Die USA erleben gerade einen regelrechten Investitionsboom im Verarbeitenden Gewerbe. Viele Ökonomen bewerten „Bidenomics“, die Wirtschaftspolitik des amerikanischen Präsidenten, insgesamt sehr positiv. All das wirkt auch stabilisierend auf den Dollar.

Im Allgemeinen gilt der US-Dollar als sicherer Hafen in der internationalen Finanzpolitik. Seine neuerliche Stärkung dürfte für den Handel nicht folgenlos bleiben. Welche konkreten Konsequenzen der US-Zinspolitik erwarten Sie für die US-Märkte?

Bardt: Die Zinspolitik der vergangenen Monate hat in der Wirtschaft keine starken Bremsspuren hinterlassen. Es ist gelungen, die Inflation zu stabilisieren, ohne das Wachstum merkenswert zu bremsen. Der Dollar ist auch deshalb ein sicherer Hafen, weil eben eine entsprechende Realwirtschaft dahintersteht. Die USA haben eine enorm starke IT-Branche und industrielle Entwicklung zu verzeichnen. Dazu kommen die vergleichsweise niedrigen Energiepreise. Das alles macht das Land zu einem attraktiven Investitionsstandort, trotz wieder steigender Zinsen.

Bedeutet die relative Stärke der US-Wirtschaft gegenüber den europäischen und auch asiatischen Wirtschaften, dass die Sorge vor einer immer größeren Verlagerung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse in Richtung China überzogen war bzw. ist?

Bardt: Europa muss sich sowohl um China als auch die USA sorgen, denn beide Märkte wachsen schneller als der europäische. Europa muss aufpassen, dass es da nicht noch weiter zurückfällt. Klar ist aber, dass wir mit anderen Marktwirtschaften wie den USA einfacher auf Märkten handeln können, während in China viel größere politische Risiken bestehen. Die USA fahren zunehmend einen deutlich kritischeren und aggressiveren Kurs gegen China. Sie nehmen keinen rein wirtschaftlichen, sondern auch einen Werte- bzw. Systemkonflikt wahr. China ist für die USA ein starker Konkurrent, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Dementsprechend geht man miteinander um. Umso wichtiger ist es, dass die EU endlich ihre eigene Rolle in diesem Gesamtgefüge sucht, findet und stärkt. Statt einem Subventionswettlauf mit China und den USA zu folgen, sollte die in Schieflage geratene Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie wiederhergestellt werden.

Gerade in Krisenzeiten richten sich die Augen der Investoren verstärkt auf Sachwerte. Deutsche Anleger haben in der jüngeren Vergangenheit unter anderem in die US-Immobilienmärkte investiert. Was bedeuten die steigenden Zinsen für diesen Sektor?

Bardt: Grundsätzlich gilt, dass schnell steigende Zinsen Bewertungsrisiken mit sich bringen. Zudem sind Bau- und Immobilienwirtschaft konjunkturell unter Druck. Aber zu der Sorge, dass sich so etwas wie die Immobilienkrise der Nullerjahre, die dann zur weltweiten Bankenkrise geführt hat, wiederholen könnte, sehe ich aktuell keinen Anlass. Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank zeigte zwar Risiken der schnellen Zinswende auf, der entstandene Schaden konnte aber letztendlich eingegrenzt werden. Der wachsende Wohlstand in den USA und insbesondere die boomenden Metropolen sollten auch bei einem höheren Zinsniveau attraktive Anlageoptionen bieten.

* Das Interview erschien in der dritten Ausgabe des BVT Institutional Quarterly (iQ), Informationsstand September 2023.

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