Mit dem Wahlsieg von Joe Biden steigen in den USA wie auch in Europa die Erwartungen auf eine wirtschaftspolitische Wende. Bidens Plattform "Build Back Better" – der bessere Wiederaufbau – trifft in den Staaten nicht nur bei den Demokraten nahestehenden Ökonomen auf Zustimmung. Auch Moody's Analytics und Goldman Sachs äußern sich positiv zu Bidens Plänen. Große Investitionsprogramme und höhere Steuern gehören dazu. Denn Biden sieht an vielen Stellen Reparaturbedarf an einer Wirtschaft, die in Trumps letztem Amtsjahr in eine schwere Krise geraten ist.
Politische Spannungen und Konflikte wie seit Jahrzehnten nicht mehr
Die Protestbewegung Black Lives Matter sowie die Corona-Pandemie haben deutlich gemacht, dass auch das mächtigste Land der Welt durch Krisen erschüttert werden kann. Nicht nur deutsche Medien warfen Präsident Trump ein ungeschicktes Krisenmanagement vor. Auch bei der Ausbreitung der Corona-Pandemie konnte Trump kaum mit Erfolgen punkten. Mit überfüllten Krankenhäusern und mindestens 350.000 Todesopfern (Stand Januar 2021) gehören die USA zu den am stärksten betroffenen Ländern weltweit. Anders als in China und Europa hat sich in den USA der Präsident kaum um eine Eindämmung des Virus bemüht. Mit Megaevents seiner Anhänger ohne Masken und ohne Abstand heizte Trump das Infektionsgeschehen zusätzlich an. Während der zweiten Welle im Herbst gab es bundesweit kaum Einschränkungen, trotz steigender Fallzahlen.
Tiefstand bei der Arbeitslosigkeit war erreicht
Mit seiner Verharmlosung der Pandemie verspielte Trump seine eigenen Erfolge, die er zuvor in der Wirtschaftspolitik erzielt hatte. Besonders am Arbeitsmarkt. Bis zu Beginn der Coronakrise war es Trump gelungen, die Arbeitslosenquote über Monate hinweg auf einem seit Jahrzehnten nicht gesehenen Tiefstand von 3,5 Prozent zu drücken. Zugegebenermaßen hatte der positive Trend bereits während Barack Obamas Regierungszeit begonnen. Auch beim BIP konnte Trump Obamas Erfolge fortsetzen und die USA in eine der stabilsten Wachstumsphasen ihrer Geschichte führen. Sogar bei seinem Lieblingsthema, der Handelsbilanz, war Trump ein Erfolg gelungen. Den langen Trend eines steigenden Defizits konnte er 2019 erstmals seit Langem brechen und zeitweise umkehren.
FED verhindert Schlimmeres
Doch im Frühjahr 2020 brachen Trump all die Erfolge unter den Füßen weg. Rund 22 Millionen Amerikaner verloren schlagartig ihre Jobs. Vielleicht konnte nur die schnelle Intervention der Notenbank FED einen noch schlimmeren Absturz der Wirtschaft verhindern. Bereits Anfang März senkte die FED den Leitzinskorridor von zuvor 1,5 bis 1,75 Prozent auf 1 bis 1,25 Prozent. Nur zwei Wochen später folgte ein weiterer außerordentlicher Zinsschritt: auf 0 bis 0,25 Prozent. Auf diesem niederen Niveau ließ die FED den Leitzins bis Jahresende bestehen. Für die Finanzmärkte ein Grund zur Freude. Trotz anhaltender Corona-Pandemie und Unsicherheiten in der Realwirtschaft stiegen die Kurse an den Aktienmärkten kräftig.
Tesla kann sich über Bidens Wahlsieg freuen
Der Wahlsieg von Joe Biden im November irritierte zunächst die Anleger. Kein Wunder. Schließlich sollen mit dem neuen Präsidenten einige Weichen im wirtschaftspolitischen Kurs künftig umgestellt werden. Während Trump die Ölindustrie protegierte, favorisiert Biden die Branche der erneuerbaren Energien. Biden will die USA wieder zurück zum Pariser Klimaabkommen führen, das Trump aufgekündigt hatte. Für die ohnehin angeschlagene Frackingindustrie kein gutes Omen. Für Tesla und andere Produzenten von Elektrofahrzeugen ein voller Erfolg. Biden will bundesweit eine halbe Million neue Ladestationen errichten lassen.
Die sozialpolitische Kehrtwende
Ausgerechnet im Wahljahr wurden in den USA die Schwächen des sozialpolitischen Systems offensichtlich und für viele Amerikaner zum Verhängnis. Die dünne Absicherung gegenüber Arbeitslosigkeit führt nach längerem Jobverlust zur Armut. In der Regel wird das Arbeitslosengeld nur sechs Monate lang gezahlt und je nach Bundesstaat unterschiedlich berechnet. Das Gesundheitssystem gilt als das teuerste weltweit, ist für Patienten kaum durchschaubar und überrascht selbst Versicherte mit horrenden Zuzahlungen. Biden will nun das System modernisieren und kräftig investieren. Der Affordable Care Act aus Obamas Amtszeit soll erweitert werden. Einkommensschwache Bürger sollen einen leichteren Zugang zur Krankenversicherung erhalten. Die vielen Milliarden Dollar, die Biden in öffentliche Güter und eine moderne Infrastruktur zu investieren plant will, will er auch über größere Belastungen der höheren Einkommensschichten finanzieren – eine Kehrtwende zu Trumps Steuersenkungen.
Notenbank rechnet mit 5 Prozent Wachstum
Moody's Analytics erwartet durch Bidens Programme, wenn sie in Kraft treten, dass 7,4 Millionen Arbeitsplätze mehr entstehen als bei einer weiteren Amtszeit von Donald Trump. Goldman-Sachs-Chefökonom Jan Hatzius rechnet damit, dass mit Biden das Risiko für eine weitere Eskalationen im im Handelsstreit geringer werde und dass sich die globalen Wachstumsaussichten verbessern. Doch ob Biden von den Strafzöllen gegenüber China und Europa wieder abrücken wird, bezweifeln viele Experten. Auch der neue Präsident werde an einem gewissen Protektionismus festhalten, um die einheimischen Hersteller zu schützen. "Die USA werden auch weiterhin aggressiv gegenüber China auftreten – und wenn Europa da nicht mitzieht, dann wird es auch sicherlich im transatlantischen Verhältnis weiter Spannungen geben", erwartete Adam Posen, Leiter des Peterson Institute for International Economics in Washington in einem Zeit-Interview. Die FED sieht die Wirtschaft der USA auf jeden Fall 2021 wieder im Aufwind und erwartet eine Steigerung des BIP um fünf Prozent, 2022 um 3,5 Prozent.
Eine positive Entwicklung antizipiert auch Christian Dürr, Geschäftsführer der BVT Holding: „Der große Vorteil der US-amerikanischen Märkte liegt in der typischerweise schnellen Erholung nach konjunkturellen Flauten.“
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