Wirtschaftsforschungsinstitute korrigieren Wachstumsprognosen massiv nach oben – erste Anzeichen für nachhaltigen Aufschwung.
Deutschlands Wirtschaft erlebt einen bemerkenswerten Stimmungswandel. Nach dreijähriger Stagnation haben die Forschungsinstitute ihre Konjunkturausblicke erheblich verbessert. Das ifo-Institut vollzog die drastischste Korrektur und erhöhte seine Wachstumsprognose für 2026 von 0,8 auf 1,5 Prozent BIP-Zuwachs. Für das laufende Jahr wurde die Einschätzung von 0,2 auf 0,3 Prozent angehoben. Die Revisionen signalisieren eine fundamentale Neubewertung nach Jahren der Rezession.
Konsens über Ende der Rezessionsphase
Die Wirtschaftsexperten zeigen sich erstmals seit langem einig über eine bevorstehende Trendwende. Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des ifo-Instituts, sagte laut Nachrichtenportal Tagesschau: „Die Krise der deutschen Wirtschaft hat im Winterhalbjahr ihren Tiefpunkt erreicht“ – eine Bewertung, die unter den Fachleuten breite Unterstützung findet. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) etwa kommentierte: „Die Frühindikatoren bestätigen unsere Einschätzung, dass die Industrie nach zweijähriger Talfahrt nun – auf niedrigem Niveau – ihren Boden gefunden hat.”
Der Großteil der Wirtschaftsinstitute folgt diesem Trend. Das IfW justierte seine Erwartungen für 2026 auf 1,6 Prozent nach oben, die Vorhersage für das aktuelle Jahr von null auf 0,3 Prozent. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) prognostiziert 0,4 Prozent für 2025, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet 0,4 Prozent für 2025 und 1,2 Prozent für 2026.
Trump-Faktor als Unsicherheit und Chance zugleich
Die amerikanische Handelspolitik unter Donald Trump prägt dabei die aktuellen Konjunkturerwartungen auf eine wesentliche Art und Weise. Wollmershäuser sieht in dieser Tatsache sowohl Risiko als auch Chance: „Der zunehmende Optimismus speist sich vermutlich auch aus der Hoffnung, dass mit der neuen Koalition der wirtschaftspolitische Stillstand endet und es im Handelsstreit mit den USA zu einer Einigung kommen wird“, sagte er laut Tagesschau.
Die bereits eingetretenen Zollerhöhungen führten paradoxerweise zu einem kurzfristigen Exportboom. Deutsche Unternehmen profitierten im ersten Quartal 2025 von vorgezogenen Bestellungen amerikanischer Importeure, die den angekündigten Zollsteigerungen zuvorkommen wollten. Diese Entwicklung trug zu einem kräftigen Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent im Auftaktquartal bei. Dennoch bleiben die handelspolitischen Unwägbarkeiten bestehen. Die ifo-Berechnungen zeigen, dass die bereits verhängten Zölle das deutsche Wachstum um 0,1 Prozentpunkte in diesem Jahr und um 0,3 Prozentpunkte in 2026 dämpfen würden.
Binnenkonjunktur als neuer Wachstumsmotor
Die Belebung der deutschen Wirtschaft speist sich zunehmend aus inländischen Quellen. Nach zwei Jahren der Zurückhaltung gewinnt der private Verbrauch wieder an Dynamik, während Unternehmen ihre Investitionstätigkeit ausweiten. „So steigt der private Konsum nach zweijähriger Durststrecke wieder merklicher, und auch die Unternehmensinvestitionen drehen nach und nach ins Plus“, sagte Stefan Kooths vom IfW.
Das von der neuen Bundesregierung angekündigte Konjunkturpaket verstärkt diese Tendenz erheblich. Die ifo-Experten beziffern den stimulierenden Effekt der geplanten Ausgabensteigerungen, Steuererleichterungen und öffentlichen Investitionen auf zehn Milliarden Euro im laufenden Jahr. Für 2026 erwarten sie sogar einen Impuls von 57 Milliarden Euro. Diese fiskalische Unterstützung dürfte nach Einschätzung des IfW das Expansionstempo merklich beschleunigen, sobald sich die erweiterten finanzpolitischen Spielräume der neuen Regierung voll entfalten.
Moderate Risiken bei stabilen Rahmenbedingungen
Trotz der verbesserten Aussichten bestehen strukturelle Herausforderungen. Moritz Schularick, Präsident des IfW, sagte: „Die erratische Zollpolitik der Vereinigten Staaten erhöht weiterhin die Unsicherheit für die deutsche Außenwirtschaft.” Die gesunkene internationale Wettbewerbsfähigkeit belastet die Exportwirtschaft. Das IfW rechnet für das laufende Jahr mit einem Exportrückgang von 0,4 Prozent, erst 2026 soll sich ein Plus von 1,2 Prozent einstellen.
Positiv stimmen hingegen die Preisentwicklung und der Arbeitsmarkt. Das ifo-Institut sieht keine Inflationsbeschleunigung und erwartet Teuerungsraten von 2,1 Prozent in diesem und 2,0 Prozent im kommenden Jahr. Die Arbeitslosenquote könnte von 6,3 Prozent in 2025 auf 6,1 Prozent in 2026 sinken. Diese Stabilität wird durch die bereits seit Jahresbeginn anhaltende Verbesserung der Unternehmerstimmung untermauert – das ifo-Geschäftsklima stieg fünf Monate in Folge an.