Für Energieversorger und Netzbetreiber ergeben sich attraktive Perspektiven.
Das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) markiert einen Meilenstein für nachhaltige Rechenzentren – bringt aber auch große Herausforderungen mit sich. Welche das sind, erklärt Kilian Wagner, Bereichsleiter für nachhaltige digitale Infrastrukturen, Bitkom e. V.
Wo sehen Sie aktuell die größte Diskrepanz zwischen politischem Anspruch und betrieblicher Realität im EnEfG?
Obwohl das Ziel des Gesetzes, die Nachhaltigkeit der Rechenzentren in Deutschland zu erhöhen, positiv ist, muss klar sein, dass sich Deutschlands Klimaziele nur mit und nicht gegen die Digitalisierung erreichen lassen. Einige Vorgaben des Energieeffizienzgesetzes sind nicht praxistauglich, und andere schaden der Nachhaltigkeit. Zum Beispiel wird gefordert, dass Rechenzentren einen signifikanten Anteil ihrer Abwärme abgeben. In der Realität jedoch fehlt oft die notwendige Infrastruktur. Außerdem sind die derzeitigen Effizienzvorgaben stark auf eine einzelne Kennzahl fokussiert: die Energieverbrauchseffektivität (PUE – Power Usage Effectiveness). Sie gibt das Verhältnis des gesamten Energieverbrauchs eines Rechenzentrums zum Energieverbrauch der IT-Hardware an.
Welche Auswirkungen erwarten Sie auf Investitionen in neue Rechenzentren, insbesondere in Bezug auf Standortwahl, technische Ausstattungen und Rentabilität?
Die Standortwahl wird durch die Pflicht zur Nutzung der Abwärme stark eingeschränkt und benachteiligt vor allem Regionen ohne diese Infrastruktur. Dies führt dazu, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb an Attraktivität verlieren könnte. Neben der Nähe zu Wärmenetzen bleiben klassische Standortfaktoren wichtig. Hinsichtlich der technischen Entwicklung gehen wir davon aus, dass in deutschen Rechenzentren der Einsatz von Wasser- und Flüssigkeitskühlungen wichtiger wird, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der PUE-Vorgaben. Aber auch die Verdunstungskühlung gewinnt an Bedeutung. Diese Technologie spart Energie, geht jedoch mit einem erhöhten Wasserbedarf einher.
Können Sie sich neue Kooperationsmodelle vorstellen, zum Beispiel mit Fernwärmenetzen oder Energieversorgern, die für Kapitalgeber im Infrastrukturbereich attraktiv sein können?
Kooperationsmodelle sind hier ein wichtiger Baustein. Betreiber von Rechenzentren stellen hoch verfügbare Infrastrukturen für IT-Systeme zur Verfügung, sind jedoch keine Wärmenetzbetreiber oder Energielieferanten. Solche Partnerschaften ermöglichen es, technische und wirtschaftliche Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Für Energieversorger und Netzbetreiber ergeben sich attraktive Perspektiven.
Welche Auswirkungen erwarten Sie für zukünftige Investitionsentscheidungen und die geografische Verteilung von Rechenzentren in Deutschland?
Die begrenzten Netzanschlusskapazitäten stellen derzeit die größte Herausforderung für den Ausbau der Rechenkapazität in Deutschland dar. Unter anderem bedingt durch die begrenzten Netzkapazitäten in Hotspots wie dem Rhein-Main-Gebiet entwickeln sich Standorte wie Berlin/Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zu stark wachsenden Märkten. Wir sehen eine Diversifizierung der Standorte hin zu Regionen mit verfügbaren Stromnetzkapazitäten und Erneuerbare-Energie-Erzeugung. Politisch und regulatorisch muss der Zielkonflikt zwischen Abwärmenutzung und netzdienlicher Ansiedlung von Rechenzentren berücksichtigt werden. Große Wärmenetze befinden sich vorwiegend in Ballungsräumen, in denen die Stromnetzkapazitäten oft begrenzt und wenige geeignete Flächen verfügbar sind. Eine Anpassung des Energieeffizienzgesetzes wäre daher sinnvoll.
Welche Beispiele gelungener Transformation kennen Sie – und was können andere daraus lernen?
Natürlich zwingt das Gesetz alle Beteiligten über Energieeffizienz und Abwärmenutzung nachzudenken, das ist positiv, hätte jedoch ohne praxisferne Vorgaben, die teilweise Nachhaltigkeitsziele konterkarieren, erreicht werden können. Bei der Abwärmenutzung sehen wir bereits tolle Projekte, die in bestehenden Rechenzentren, also ohne gesetzlichen Zwang umgesetzt werden. Besonders hervorzuheben ist das Projekt „Das Neue Gartenfeld“ in Berlin, bei dem die Abwärme eines bestehenden Rechenzentrums in ein innovatives Wärmekonzept für ein neues Stadtquartier eingebunden wird. Auch beim Quartier „franky“ in Frankfurt sollen bald rund 1.300 Wohnungen mit 3.000 Menschen durch das benachbarte Rechenzentrum beheizt werden.
Welche Standortmodelle oder technischen Konzepte erscheinen Ihnen aktuell besonders zukunftssicher – und wo sehen Sie aus Sicht von Investoren Chancen in diesem Marktumfeld?
Zukunftssichere Standorte bieten stabile, nachhaltige und zugleich wirtschaftlich wettbewerbsfähige Energieversorgung, ausreichend Flächenpotenzial und gute Konnektivität. Betreiber, die frühzeitig auf Skalierbarkeit, Ausbaureserven und die Integration in lokale Energieinfrastrukturen setzen, verschaffen sich klare Vorteile. Besonders angesichts des dynamisch steigenden Bedarfs an Cloud- und KI-Anwendungen werden leistungsstarke, flexible und energieeffiziente Rechenzentren für Investoren immer attraktiver. Neben Standortfaktoren gewinnen auch technische Konzepte an Bedeutung, die auf modulare und skalierbare Bauweisen, intelligente Energiesteuerung und optimierte Kühltechnologien setzen. Rechenzentren, die sich effizient an wechselnde Leistungsanforderungen anpassen lassen und gleichzeitig einen aktiven Beitrag zur lokalen Energie- und Wärmewende leisten, sind für Investoren besonders attraktiv.
Kilian Wagner ist als Bereichsleiter für nachhaltige digitale Infrastrukturen beim Digitalverband Bitkom insbesondere auf Rechenzentren und deren nachhaltige Transformation spezialisiert.